Lache mehr! Lache laut! Lache obszön!
Man kennt es: „Lebe, Liebe und Lache..“ In diesen Kalenderspruch geht um so viel mehr. Lache mehr! Lache laut! Lache obszön! Der Gedanke ist nicht wirklich neu – doch sollten wir uns mehr darauf besinnen.
Bewusst zu leben, bewusst zu lieben und bewusst zu lachen ist wichtig – das kann im Trott des Alltag schnell zu kurz kommen. Gefangen in einer alltäglichen Routine, zwischen Job und Arbeitswoche, gibt es diese besondere Art des Lachens selten.
Aber keine Sorge, auch wenn es oft so scheint: so modern sind diese Probleme nicht. Die alten Griechen machten sich auch schon die einen oder anderen Gedanken dazu:
Lachen ist eine körperliche Übung von großem Wert für die Gesundheit.
Aristoteles (384 – 322 v. Chr.), griech. Philosoph, Lehrer Alexanders des Großen von Makedonien
Und um dieses bewusste Lachen geht es mir: das oft im Nachhinein auffällt, ausversehen passiert und doch so wichtig für unsere Gesundheit ist. Kannst du dich erinnern, wann du das letzte Mal längere Zeit am Stück herzhaft gelacht hast? Letzte Woche? Vor einem Monat? Viel zu selten?
Lass mich dir eine Geschichte erzählen
Es geschah nicht gestern, und doch ist es vielleicht ein Wimpernschlag her. Eine Geschichte aus der Zeit der alten Götter, als der Glaube an sie noch groß war.
Hier gab es wohl die bekannteste Tochter jener Zeit, genannt Kore, besser bekannt als Persephone. Sie war die geliebte Tochter von Demeter und Zeus. Demeter ist die Muttergöttin. Sie macht das Land fruchtbar. Nichts wächst, ohne ihren Einfluss. Ja, und Zeus kennt ihr.
Persephone stand ihrer Mutter Demeter sehr nahe. Kaum etwas konnte beide trennen. Kaum? Kaum, bis zu jenem schicksalshaften Tag als Persephone von Hades dem Gott der Unterwelt entführt wurde.[1].
Demeter suchte ihre Persephone überall im Land.
Sie hörte ihre Stimme, doch konnte sie sie nicht sehen. In ihrer tiefen Trauer und Verzweiflung machte sie das Land, die Fauna und auch jede Menschenmutter unfruchtbar. Traurigkeit und Ödnis durchzog das ganze Land.
In der Stadt Eleusis fand die Geschichte ihre unerwartete Wendung.
In Eleusis wurde die erschöpfte Demeter von der Göttin Baubo aufgenommen. Sie bot ihr Wein und Getreide an, doch Demeter wollte in ihrer Verzweiflung nichts davon wissen. Keine Ablenkung sollte ihr helfen, kein Mittel zog sie aus ihrer Trauer.
Baubo war, wie man sagt, ein Wesen, was es verstand zu leben, zu lieben, vor allem aber zu lachen. Umso mehr verstand sie sich darauf, auf ihre Weise, der Sache ein Ende zu bereiten. Und so erzählte man in der alten Geschichte, verließ Baubo die trauernde Demeter um sich zu rasieren und bemalen und kehrte so zu der Muttergöttin zurück.
Baubo positionierte sich demonstrativ vor Demeter und entblößte ihren Unterleib, so dass die Göttin ein aufgezeichnetes Bauchgesicht und eine blank rasierte Vulva angrinsen musste.
Diese unerwartet obszöne Geste brachte alle zum Lachen, einschließlich Demeter. Alle Götter, ob anwesend oder nicht, lachten mit ihnen. Selbst Hades soll deshalb darauf folgend mit Persephone aus der Unterwelt gekommen sein, so dass Demeter und ihre Tochter wieder vereint waren[2].
Manchmal darf das Lachen auch obszön sein
Diese Obszönität war das einzige Mittel, was Demeter aus ihrer Problemtrance zu retten vermochte. Und dies feierten die alten Griechen Jahr für Jahr in ihren Eleusischen Mysterien. Besonders aber sind die Tage danach, an denen die Frauen 3 Tage ganz allein diese Geschichte für sich feierten. In einer patriarchischen Welt war dies etwas ganz besonderes.
So trafen sich sich um eben jene Szene, jene Obszönität nachzuspielen und zu ehren. Sie lüfteten ihre Röcke, backten Phallusgebäcke und lachten 3 Tage am Stück.
„women were encouraged to tell crude jokes amongst each other, which were often recognised as a pastime of the goddess Demeter. This ‘ritual obscenity’ was largely recognised as an association to women’s sexuality and fertility.“[2]
Heute bleibt von solchen femininen Feierlichkeiten nur noch der Kaffeeklatsch über, in dem man sich hin und wieder hinter vorgehaltener Hand über Obszönes unterhält, tratscht und kichert wie kleine Mädchen.
Ich frage nicht nach dem Warum
Wir können uns alle selbst ausrechnen, wie sich die Welt so entwickeln konnte. Der Klischee-Mann, der öffentlich und lapidar über seine Männlichkeit, Sexualität wie auch Frauen tratscht. Dagegen die Frauen, die sich wenn dann im Geheimen zu Frivolitäten äußern oder so zeigen.
Seit Sex in the City ist dies Geheime sicher wesentlich zurückgegangen. Denn genau das macht diese Serie deutlich, dass man auch als Frau einmal obszön lachen und sein darf. Bzw. soll Frau sogar, ohne sich zu genieren, über Obszönes tratschen und sich austauschen. Und es entwickelte sich eine Zeit (zum Beispiel mit dieser Serie), in der sich die Frauen eben zu genau solchen Abenden vermehrt trafen, zusammen fern sahen, lachten und es sich erlaubten obszöner zu werden.
Zurück zu Aristoteles – Lachen macht gesund
Lachen macht gesund. Die Geschichte von Baubo soll explizit darauf hinweisen.
Mit einem herzhaften Lachen, vor allem über mehrere Stunden, können depressive Gedanken vertrieben werden und Sorgen im Nachhinein leichter erscheinen. Diese Albernheit macht frei. Mal respektlos zu sein, lockert den Gürtel. Das Lebensgefühl, das Glitzern in den Augen, dies breitet sich auf die ganze Seele aus. Es lenkt von negativen Gefühlen ab und kann diese auch in positivere Bahnen lenken.
Und auch der Libido ist es zuträglich.
Viele Frauen klagen über Lustlosigkeit. Daweil ist es nicht unbedingt die Lustlosigkeit vor Sex, sondern die Eintönigkeit zuweilen. Auch kann es daran liegen, dass sie ihre Lust von ihrem Gegenüber abhängig machen und sich dann wundern, dass dieser dem nicht nachkommen kann[4].
Obszön zu lachen lockert besonders Frauen auf, bringt sie aus einer passiven Position in das aktive Leben hinein. Es macht sie selbstbewusster.
Wann hast du zuletzt einen Penis berührt, ohne dass es um Sex ging?
Denn genau darum geht es: um das Spiel, Frivolitäten, um das Lachen und um ein kleines bisschen frech sein. Es geht nicht darum, sich im rechten Licht zu positionieren. Für beide Seiten nicht. Es ist ein Spiel, in dem über sich selbst genauso gelacht werden darf.
Fazit: Erlaubt euch Tabus zu brechen!
Über Obszönes zu reden, zu lachen, das kann Tabus brechen. Wann hast du dich zuletzt mit deiner Freundin so offen ausgetauscht?
Selbst in einer sexpositiven Welt halten wir unser Privatleben im Verborgenen. – Eigentlich schade, wenn man so darüber nachdenkt.
Der Grund hierbei ist aber klar. Es geht nicht unbedingt darum, dass man Geheimnisse oder eine Privatsphäre wahren möchte. Es geht um das von der Gesellschaft vermittelte Bild der Sexualität, welches in einem Perfektionismus mündet.
Dass die wirkliche sexuelle Reife aber erst im Alter eintreten kann und somit dann erst klar wird, was die eigenen Vorlieben sind, dessen sind sich zu viele immernoch nicht bewusst.
Druck herrscht überall.
Der Mann, der darunter leidet, weil er denkt die Erwartungen der Frau nicht erfüllen zu können. Die Frau, die überhaupt Erwartungen an einem Mann stellt. Oder sie verkrampft, weil sie eben nicht dem stereotypen rein raus Spiel unterliegt.
Wenn wir anfangen, ehrlich, offen, obszön lachend und frei über mit dem Thema umzugehen, werden wir erkennen, dass wir alle das Gleiche durchmachen: Oft sind es unsere eigenen Unsicherheiten, oder Sorgen etwas verkehrt zu machen, nicht zu genügen oder eben ersetzbar zu sein. Und dabei lernen wir vielleicht endlich auch, dass wir für unser Glück selbst verantwortlich sind. Wir lernen, zu wissen, was wir wollen und vor allem lernen wir so, es zu kommunizieren.
Schamlosigkeit bricht Tabus. Schamlosigkeit erfordert aber auch Stärke. Fangen wir also klein an. Trauen wir uns im Kreise unserer Vertrauten wenigstens obszön, somit schamlos zu sein und zu lachen.
[1] So erfolgt eine der vielen Theorien. Aber wie das nun bei Göttergeschichten, wie auch alte Mären ist, diese verändern sich mit der Zeit, je mehr sie in die Welt getragen werden.
[2]Es gibt zahlreiche unterschiedliche Versionen der Baubo-Geschichte. Eine der bekanntesten besagte, dass unter dem Rock Baubos „der kleine Iakchos“ auftauchte (Iakchos war wahrscheinlich der Sohn Dionysos), welcher Demeter angrinste. In der einen Geschichte war Baubo solch eine Unsterbliche wie Demeter, in einer anderen wurde sie direkt als Göttin benannt. Auch galt sie als Amme, oder als eine Begleiterin Demeters. Es kommt hierbei auch darauf an, wer die Geschichte erzählte.
[3] https://www.hellenic.org.au/post/the-thesmophoria-women-s-ritual-in-the-ancient-world
[4] Vorsicht!: das sind 2 Sachverhalte von 1000 Optionen. Sie dienen lediglich als Beispiel.
Literatur (neben Wiki) zum Thema das obszöne Lachen von Baubo:
- Der Occultismus des Altertums, von Karl Kiesewetter. Ab Seite 468.
- Besonders bekannt sind die Texte von Arnobius der Ältere, er lebte wahrscheinlich bis 330 nach Chr.: adversus nationes 5,25–29
- Die orphischen Fragmente von Clement of Alexandria ebenso einem Kirchenvater lebte wohl bis 215 nach Chr.: Orphic fragmente 52 und 53 auf https://www.hellenicgods.org/the-orphic-fragments-of-otto-kern.
- Das Beste Werk für geschichtlich und psychologische Interessierte: Georges Devereux: Baubo. Die mythische Vulva. Aus dem Französischen übersetzt von Eva Moldenhauer
- Des weiteren interessant: Monika Gsell: Die Bedeutung der Baubo. Kuturgeschichtliche Studien zur Repräsentation des weiblichen Genitales