Lässt sich das Thema Lustlosigkeit lösungsorientiert betrachten?
Das Thema Lustlosigkeit aus der systemischen lösungsorientierten Sicht zu betrachten, bringt zahlreiche Vorteile. Die Problemtrance wird gebrochen, der Druck wird aufgehoben. Es macht in so vielen Hinsichten Sinn, auch aus meiner Erfahrung als Beraterin.
Dazu ziehe ich das Werk Ulrich Clement dazu, weil er sehr interessante Ansätze bringt, aus dem Problem der Lustlosigkeit Lösungen zu schaffen.
Ich bin eine Befürworterin davon, wenn Dinge nicht so funktionieren, wie wir wollen, diese aus einem anderem Blick neu zu behandeln. Dabei geht es nicht darum, den Fokus des Nichtfunktionierens zu vergessen, nein, er verliert nur an Dominanz.
Also was sagt Clement aus?
Das Nein zum Sex wird hinterfragt
Ich persönliche finde es erst einmal relevant zu erfragen, ob es sich bei der Lustlosigkeit um ein allgemeines Nein zur Lust handelt. Weil, und das greift Clement auch auf, es gibt bei der Betrachtung zu diesem Thema eben den Unterschied ob ein Klient ja oder nein zur Lust sagt. Wer absolut fern davon ist, Lust spüren zu wollen, und es eben nicht als Problem betrachtet, hier sollte man auch nicht weiter interagieren.
Bedeutung gewinnt meiner Meinung nach das Thema Lustlosigkeit erst, sobald der Klient eben Lust spüren möchte und einen Mangel hierbei empfindet und es ihm ggf. belastet.
Dabei macht es mehr Sinn zu fragen, was die Person nicht mag, als zu fragen, wonach sie Lust hat. Letzteres kann sie vielleicht nicht beantworten. Was sie aber nicht mag, das wissen die Klienten oft als erstes.
Nun gilt es also genauer zu hinterfragen: wozu sagt die Person nein? Sagt sie a) Nein zum Sex mit dem konkreten Partner? b) Nein zu der Vorstellungen des Partners, was angemessen sei? c) Nein zu einer bestimmten Art von Sex – Stellung, Präferenzen? oder d) Nein zu einer bestimmten Situation, um Sex zu haben.
Wenn der Klient, die Klientin, direkt gefragt wird: „Was passt Ihnen nicht? Wogegen wehren Sie sich?“ wird ihnen eine kompetente Beurteilung zugeschrieben, so meint Clement.
Sexuelle Barrieren – die Lustlosigkeit – nach der Hakomi Methode
Da ein Nein nicht immer vor dem Akt erfolgen muss, sondern genauso zwischendrin passieren kann, gliedert Clement dieses Thema nach der Hakomi Methode.
Die Hakomi Methode hinterfragt, wer wir im tiefsten Grunde unseres Herzens wirklich sind. Übersetzt heißt dieses indianische Wort nämlich: „Wer bist Du? Der, der Du bist.“ Die Hakomi Therapie ist vor allem tiefenpsychologisch fundiert und eine körperorientierte Psychotherapie, nach folgenden Grundsätzen:
1.) die Organizität (alle Lebewesen können sich aus eigenem Antrieb als Ganzes sinnvoll entwickeln, organisieren und heilen),
2.) die Innere Achtsamkeit (der Prozess des Wahrnehmens und des lnnehaltens, neugierig nach innen gerichtet)
3.) die Gewaltlosigkeit (es wird nichts erzwungen, sondern natürlich fließen gelassen)
4.) die Einheit (alles im Universum hängt zusammen, nichts ist isoliert), dazu gehört die Körper/Geist-Einheit (hier sind gleichzeitig sowohl körperliche Erfahrungen als auch die dazugehörigen geistigen Einstellungen präsent).
Er, also Clement, passt diese methodischen Schritte sehr treffend zum Thema sexuelle Barrieren an[5]:
- Die Organizität wird zum Gewahrsein. Das heißt, es muss klar sein ob überhaupt eine Lust vorhanden ist und worauf sich die Lust bezieht.
- Die Innere Achtsamkeit wird zur Initiative. Wird nach der Lustentwicklung eine Initiative zur Wunscherfüllung ergriffen?
- Die Gewaltlosigkeit wird zur Befriedigung bzw. zum Handlungsvollzug. Wird eine Handlung aus freien Stücken vollzogen oder nicht?
- Und die Einheit wird zur schlussendlichen Entspannung. Gibt es hier eine körperliche Einheit mit der geistigen, oder bleibt man unbefriedigt? Wenn letzteres ist, folgt nun wieder Schritt 1? Oder ist es möglich hier ein Schlussstrich zu ziehen.
In jedem dieser 4 Etappen können Barrieren auftauchen und eben zu „Problemen“ führen. 1. Weist auf eine Luststörung hin, 2. Könnte zum Beispiel durch eine Antriebslosigkeit entstehen. 3. Wird der Akt aus freien Willen ausgeführt? Und wenn nicht, welchen (persönlichen oder psychologischen) Grund hat dies? Und Schlussendlich 4. Kann zu einer Sexsucht führen um endlich eine Entspannung bzw. Befriedigung zu erwirken oder eben darauf hinweisen.
Ressourcen aus den „Barrieren“ schaffen
Um nun lösungsorientiert an dieses Thema Lustlosigkeit heranzugehen, schafft Clement nun aus den Barrieren Ressourcen. Er erwirkt damit ein Umdenken beim Klienten, das Phänomen von einer anderen Seite zu betrachten.
Wenn die Etappen der Hakomi Methode weiterhin betrachtet werden, sieht die Umwandlung (das Refraiming in dem Falle) so aus: Aus dem ersten Schritt, dem Gewahrsein wird aus einer Unsicherheit zur Lust die Ressource der Mehrdeutigkeit in den Raum gestellt. Wer nicht weiß, was er will, kann somit viel probieren und gegebenenfalls auch über den Tellerrand schauen. So entstehen aus dem Phänomen der Unlust aufgrund von Unwissen neue Potentiale und Spielideen.
Im zweiten Schritt der Initiative, wird bewusst die Option offen gelassen. Heißt, wird die Person nicht aktiv, heißt es nicht, dass sie sich nicht animieren lassen kann. Der dritte Schritt des Handlungsvollzuges (oder eben keine Handlung) wird zur bewussten Entscheidung. Auch dies kann reizsteigernd für beide Parteien sein und so die Konzentration auch wieder auf andere Spielarten legen, wodurch auch wieder Neues entdeckt werden kann. Der Letzte Punkt der Entspannung wird so refraimt, das hier ohne großes Nachdenken das Aufhören nun möglich ist und sich schnell auf ein neues Thema eingestellt werden kann.
Ich persönlich habe mit dem letzten Punkt Probleme. Stellt sich keine Befriedigung ein, kann es frustrierend sein. Sich davon dann nicht mitreißen zu lassen, hier denke ich, fehlt die passende Strategie. Einfach nicht darüber nachzudenken und zu handeln, ist für viele Menschen schwierig. Das Aufhören als Ressource scheint mir nicht stark genug zu sein, um hier ein Umdenken wirklich zu erwirken.
Vielleicht kann das Aufhören, natürlich je nach Pläsier des Klienten, ebenso als Ressource für die Erweiterung der eigenen Ideen und Spielarten refraimt werden. Heißt, wenn keine Entspannung eintritt, ist es notwendig herauszufinden, was der Entspannung dienen kann. Allein dieser Weg bietet schon sehr viel Potential, das sexuelle Erleben spannend zu halten. So wird aus dem Aufhören ein Austesten und schlussendlich ein Weg. Der Weg wird dann als neue Ressource betrachtet (à la der Weg ist das Ziel). Wichtig hierbei, um wieder auf Clements Ausführungen zurück zukommen, ist es, das Thema der Lustlosigkeit langsam anzugehen und wirklich aufzuhören, statt etwas auszureizen. Heißt, es ist Geduld gefragt, der Weg braucht Zeit, sowie eine gute Entspannung auch viel Zeit einnehmen sollte.
Schlussendlich: Das Nein wird zur neuen Kompetenz
Ein weiterer interessanter Punkt zum Eingangsthema der Lustlosigkeit ist die Abwehr der Klienten zum gewünschten sexuellen Spiel des Partners. Es geht um die Abwehr, die mit einem „NEIN“ ausgedrückt wird. Statt hier das „Nein“ als absoluten Schluss zu betrachten, wird dies nun zu einer neuen Kompetenz.
Clement geht hierbei wieder auf die einzelnen Schritte der Hakomi Methode ein.
Ich greife kurz vorweg, um die Relevanz der Kompetenz noch aus einem anderen Gesichtspunkt zu betrachten. Ein „Nein“ wird in der heutigen Gesellschaft schnell als Ablehnung betrachtet. Nicht selten bedarf es bei einem Nein einer Argumentation, einer Erklärung, damit sich der Gegenüber nicht abgelehnt fühlt. Ein Ja hingegen geht leichter über die Lippen und wird somit viel schneller, auch gegen den eigentlichen Willen, ausgesprochen.
Und hier kommen wir zu der Kompetenz: Ein Nein auszusprechen, spricht auch für die Kraft. Es ist mutig, hier Nein sagen zu können, um sich selbst auch abzugrenzen, wenn der Bedarf da ist. Somit schützt der Klient sich und steht so für seine Bedürfnisse ein. Dies allein gilt es auch schon als Kompetenz zu betrachten.
Nun zu Clements Gedanken: Er findet, ein Nein sollte auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden. Ein „hier ist Schluss“ und „hier geht es nicht weiter“ möchte er somit aus dem Weg gehen. Er hinterfragt das Nein nicht an sich, sondern anhand der einzelnen sexuellen Schritte.
Zum 1. Dem Gewahrsein fragt er also, ob sich das Nein auf die sexuelle Lust bezieht. Wenn dem so ist, heißt es nicht, dass ein anderes Spiel, Beisammensein oder Kuscheln unmöglich ist. Zur Initiative erfragt er, ob das Nein des Klienten sich auf die vorliegende Situation oder auf den Partner bezieht und bietet so das refraiming der Wahlmöglichkeiten an (heißt andere Situation, Orte schaffen oder eben andere Spielpartner suchen).
Ein Nein zum sexuellen Vollzug öffnet körperlich-sinnliche Varianten. Und ein Nein zum Thema Entspannung bietet so die Möglichkeit wieder in den nichtsexuellen Alltag zu übergehen.
Hast du dich auch schon mit diesem Thema auseinander setzen dürfen / müssen / können, lass uns gerne austauschen. Brauchst du eine Beratung, trau dich, schreib mich einfach hier an.
Ulrich Clement: Dynamik des Begehrens. Systemische Sexualtherapie in der Praxis. Dritte Auflage, 2021, Carl Auer Verlag.
Die Hakomi Methode hinterfragt, wer wir im tiefsten Grunde unseres Herzens wirklich sind[…]. So beschreibt es Dr. med. Carl Edelbauer, Arzt für Psychotherapeutische Medizin in eigener Praxis, Lehrtherapeut des Europäischen HAKOMI-Instituts.
Er, also Clement, passt diese methodischen Schritte sehr treffend zum Thema sexuelle Barrieren an […]: Beziehungsweise bezieht er sich hierbei auf Ron Kurtz (Hakomi Therapy. Boulder. 1990 Hakomi Institute.) und passt es zur begrifflichen Schärfung für sich an: Ulrich Clement: Dynamik des Begehrens. Systemische Sexualtherapie in der Praxis. Dritte Auflage, 2021, Carl Auer Verlag. Seite 70.